Über das Sehen

[expat]

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Wenn wir sehen, sind wir ständig am Denken und Interpretieren. Die verblüffensten Erscheinungen in diesme Zusammenhang sind die otischen Täuschungen, bei denen wir falsche Interpretatonen geliefert bekommen, weil sie die einfacheren Lösungen sind. Allgemein kann man sagen, dass wir ständig Beziehungen zwischen den Elementen herstellen, die auf der Fläche dargestellt sind. Diew Beziehuingen können formaler oder inhaltlicher Art sein. Sind formle Beziehungen da zwischen Elementen, die aber inhaltlich sinnlos sind, dann versuchen wir meistens, diese störenden Elemente auszuklammern.

Aber nicht nur die Elemente an sich, sondern auch ihre Positon in der Fläche und die Beziehung zu anderen Elementen sind entscheidend. So kann eine Gerade ganz unterschiedliche Bedeutungen transportieren. Eine leigende Gerade in einem Querformat schafft Ruhe, eine senkrechte in einem Hochformat hingegen Dynamik. Eine Gerade, die links unten im Bild beginnt und recht oben endet, sieht der Rechtshänder als aufsteigende Gerade, der Linkshänder hingegen als abfallende. Er fängt nämlich rechts an, das Bild zu "lesen". Stellt euch eine Kugel vor, die oben auf einer abfallenden Geraden zu sehen ist. Die Kugel wird herunterrollen wollen, der optisch abfallenden Gerdaen folgend. Stellt euch nun eine Kugel oben auf einer ansteigenden Geraden vor (für den Rechtshänder von links nach rechts aufsteigend). Auch hier will die Kugel herunterrollen, aber eine optisch aufsteigende Gerade, und das ist weitaus spannender als der vorhergehende Fall. Als Beispiel zeige ich mal ein Bild aus Lanzarote. Wire haben eine Landschaft vor uns, die von der Mehrheit - also den Rechtshändern - als aufsteigend gesehen wird. Die Dromedare (arabische Kamele) laufen nun gegen die Richtung, also die optisch aufsteigende Diagonale herab. Das ist witziger als umgekehrt, finde ich.

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[expat]

Das selbe Bild nun für die Linkshänder. Jetzt wird zusätzlich klar, dass auch der Busch eine Funktion hat außer ein wenig mehr Farbe ins Bild zu bringen. Automatisch nehmen wir eine zusätzliche Richtung wahr, nämlich unten links verbindet sich die Helligkeit mit der oben rechts. Eine schwächere Gegendiagonale midert die starke Richtung der Dünendiagonale. Dennoch wirkt für mich das Bild nun negativer und auch langweiliger. Die Krawane zieht eine abfallende Diagonale hinab. Was sagt der Linkshänder?

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[donalfredo]

Der Linkshänder Wolfgang sagt, daß ihm das Linkshänderbild besser mundet - so er die Wahl hätte.

Für mich ist die erste Version beklemmend, erdrückend, dagegen die Zweite befreiend...

[expat]

- so er die Wahl hätte.

Unbedingt!

[leicanik]

Der Linkshänder Wolfgang sagt, daß ihm das Linkshänderbild besser mundet - so er die Wahl hätte.

Für mich ist die erste Version beklemmend, erdrückend, dagegen die Zweite befreiend...

Dem schließt sich der Rechtshänder leicanik an. Für mich wandert der Blick beim zweiten Bild organisch mit der Bewegung der Karawane vom Vordergrund in den Hintegrund und (wie beim Lesen) von links nach rechts. Mag sein, daß expat das als langweilig (spannungslos) empfindet, aber beim ersten Bild wandert mein Blick dauernd unruhig hin und her, ich empfinde das aber nicht als positive Spannung. (Nein, ich bin kein "umgepolter" Linkshänder )

Gruß, leicanik

[aubani]

Servus,

seltsam, als Rechtshänder spricht mich das "Linkshänder Bild" sehr viel mehr an. Gibt es da vielleicht noch ganz andere Einflussgrössen?

Gruss aubani

[donalfredo]

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Na ja,

 

dazu muß ich was erklären.

Schulbedingt bin ich Beidhänder.

In der ersten Unterrichtsstunde hat mein Vordermann den Griffel mit Links führend etwas mit dem Rohrstöckchen auf die Finger gekriegt.

Ich sah das Bürschchen weinen, und schwor mir - Klein-Wolfgang, das passiert dir nicht.

Seit diesem Tage schreibe ich rechts, habe aber keinerlei Probleme, dies auch mit links zu tun.

Auch nach meiner Hüft-OP vergangenes Jahr habe ich wochenlang mit Links gebremst, um das rechte Bein zu entlasten.

Es gibt nur zwei Dinge, die ich nicht beidhändig kann - Nägel in die Wand hau'n und Schere schneiden.

Ich kann aber überhaupt nicht beurteilen, ob und wie sich diese Vielseitigkeit auswirkt...

[expat]

Da könnte man vielleicht bei euch beiden jetzt auf ein starkes Harmoniebedürfnis schließen. Dafür nehmt ihr dann die Abwärtsdiagonale in Kauf. Es wurde ja schon des Öfteren gesagt: Alles Geschmacksache.

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Ich würde dir das Adobe Creative Cloud Foto-Abo mit Photoshop und Lightroom empfehlen

[donalfredo]

Gelobt sei doch unser Forum.

Interessant, zu welchen Perspektiven und Sichtweisen unsere Diskussionen führen...

[aubani]

Servus expat,

dann könnte ein latent vorhandenes Harmoniebedürfnis deine links-/rechtshändische Theorie überlagern. Und welche weiteren Einflussgrössen könnten da noch wirken?

Gruss aubani

[expat]

Einflussgrössen könnten da noch wirken?

Gruss aubani

In diesem besondern Fall eventuell noch ein Hang zur Melancholie.

[aubani]

Servus expat,

Für die Wahrnehmung und der Interpretation deiner gespiegelten Kamel-Aufnahmen scheint mir die Erklärung noch nicht ausreichend. Da muss es doch noch mehr geben?

Gruss aubani

[Guest Augenkultur]

Hallo,

 

um es mal so zu sagen ich bin rechtshänder wenn ich mir nun beide Fotos ansehe so sagt mir mein visuelles Empfinden beim ersten Bild folgendes.

 

Auf dem Foto ist eine Karawane auf einem Berg die von rechts nach Links zieht.Wobei ich schon sehe das die Karawane abwärts zieht.

 

Auf dem zweiten Bild sehe ich folgendes:

 

Ein Karawane die eine Berg hinabzieht.

 

Da sich bei der Mehrheit ja alles Rechts rum dreht ist das zweite Foto auch angenehmer anzusehen.

[expat]

Servus expat,

Für die Wahrnehmung und der Interpretation deiner gespiegelten Kamel-Aufnahmen scheint mir die Erklärung noch nicht ausreichend. Da muss es doch noch mehr geben?

Gruss aubani

Natürlich gibt es da mehr. Manche Leute könntenn da Seitenweise drüber schreiben. Ich wollte aber nur einen Anstoß geben für eine andere Sehweise als: "Alles eben Geschmacksache." Es ist auch sehr stark Gedankensache. Ohne Interpretation durch das Denken könnten wir wahrscheinlich gar nicht sehen. Es denkt und fühlt aber nicht jeder Mensch unterschiedlich. Vieles haben wir gemeinsam. Andreas Feiniger, der Sohn des Malers Lyonal Feiniger hat einige interessante Bücher über die Analyse von Fotos geschrieben. Kann man bestimmt in Antiquariaten noch hin und wieder bekommen.

[Nager]

Interessant. Für mich (Rechtshänder, beginne das Foto oben links zu "lesen"), ist das zweite Bild auf den ersten Blick angenehmer, weil weniger "anstrengend" als das erste. Auf den zweiten Blick allerdings gewinnt das erste Bild durch die widersprüchliche Linien / Bewegungsführung an Spannung und bleibt damit nachhaltig als interessanter in Erinnerung.

 

Wenn ich entscheiden sollte, welches mir besser gefällt, würde ich mich nach dem ersten Blick für das zweite, nach dem zweiten Blick allerdings für das erste entscheiden.

 

Das ist ähnlich wie mit Musik - ist sie eingängig und entspricht den gewohnten Erwartungen, gefällt sie sofort, man wird ihrer aber schnell müßig - ist sie dagegen unkonventioneller und schwerer zu "begreifen", ist der Einstieg schwer, aber der Genuss langfristig größer.

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[expat]

Nager,

Du bist meine Rettung. Ich wollte mich gerade hinter den Zug werfen.

Du hast das wirklich schön beschrieben, was ich meine.

[SaLu]

Interessant. Für mich (Rechtshänder, beginne das Foto oben links zu "lesen"), ist das zweite Bild auf den ersten Blick angenehmer, weil weniger "anstrengend" als das erste. Auf den zweiten Blick allerdings gewinnt das erste Bild durch die widersprüchliche Linien / Bewegungsführung an Spannung und bleibt damit nachhaltig als interessanter in Erinnerung.

 

Wenn ich entscheiden sollte, welches mir besser gefällt, würde ich mich nach dem ersten Blick für das zweite, nach dem zweiten Blick allerdings für das erste entscheiden.

 

Das ist ähnlich wie mit Musik - ist sie eingängig und entspricht den gewohnten Erwartungen, gefällt sie sofort, man wird ihrer aber schnell müßig - ist sie dagegen unkonventioneller und schwerer zu "begreifen", ist der Einstieg schwer, aber der Genuss langfristig größer.

 

RRRRICHTIG!!!

Genau so sehe ich es auch!

[leicanik]

Ab heute lese ich alle Bücher von hinten nach vorne und von rechts nach links, bestimmt sind sie dann viel spannender und bleiben länger in Erinnerung

[expat]

Ab heute lese ich alle Bücher von hinten nach vorne und von rechts nach links, bestimmt sind sie dann viel spannender und bleiben länger in Erinnerung

Leicanic,

Du nimmst uns nicht ernst. Wir sind gerade dabei, die Mehrheit zu stellen.

Aber nicht verzagen. Es gibt da kein richtig oder falsch, eben nur unerschied-

liche Sehweisen für Links- und Rechtshänder.

Edited November 9, 2010 by expat

[leicanik]

Leicanic,

Du nimmst uns nicht ernst. Wir sind gerade dabei, die Mehrheit zu stellen.

Spaß muß sein . Aber in meinem Scherz steckt natürlich als ernster Kern der Hinweis, daß es sehr individuell ist, wieviel an "gegen den Strich gebürsteter Spannung" jemand als anregend oder angenehm empfindet. Was der eine sucht, hält der andere vielleicht kaum aus. Was der eine genießt, ist für den anderen einfach nur brav und langweilig. Ist vielleicht ähnlich wie in der Musik (Free-Jazz, moderne Klassik ...).

Gruß, leicanik

[aubani]

Servus,

ich bleibe mal bei meiner skeptischen Haltung gegenüber der Rechts-/Likshänder-These. Einen eingeschlagenen Bildaufbau oder eine fundierte Bildanalyse anhand der Zugehörigkeit zur Gruppe der Rechts-/Linkshänder einzuteilen, ist mir reichlich kurz gedacht. Als ein Mosaiksteinchen mag die These taugen. Damit erschöpfend die Flächengestaltung einer Aufnahme zu erfassen, hege ich grossen Zweifel.

Was Leicanik so salopp sagt, ist z.B. die Wirksamkeit der Konvention in Europa spätestens seit Einführung der lateinischen Sprache, Dinge auf einer Fläche von links nach rechts wahrzunehmen.

Gruss aubani

Edited November 9, 2010 by aubani

[expat]

Spaß muß sein . Aber in meinem Scherz steckt natürlich als ernster Kern der Hinweis, daß es sehr individuell ist, wieviel an "gegen den Strich gebürsteter Spannung" jemand als anregend oder angenehm empfindet. Was der eine sucht, hält der andere vielleicht kaum aus. Was der eine genießt, ist für den anderen einfach nur brav und langweilig. Ist vielleicht ähnlich wie in der Musik (Free-Jazz, moderne Klassik ...).

Gruß, leicanik

So ist es. wir kommen da auch an einen Punkt, den wir wohl nicht klären können, ohne elitär zu erscheinen: Der Genuss, das Schönfinden. Ganz krass: Unterscheidet sich das Glücksgefühl eines Besitzers vom Bild "Hirsch an der Lichtung" (Ich meine so eine Kitschbild) von dem Glücksgefühl desjenigen, der sich ein Bild von Rembrandt anschaut?

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[expat]

Als ein Mosaiksteinchen mag die These taugen. Damit erschöpfend die Flächengestaltung einer Aufnahme zu erfassen, hege ich grossen Zweifel.

Was hast du denn dagegen? Das sind Erkenntnisse der Wahrnehmungpsychologie, die natürlich nicht das gesamte Wahrnehmen erklären. Dafür ist das ja viel zu komplex. Du machst da einen typischen Fehler, wie ich denke. Wenn jemand sagt, dass der Himmel blau sei, will er ja nicht sagen, dass nur der Himmel blau sei und sonst nichts. Auch will er nicht sagen, dass der Himmel immer blau sein muss. Niemand hat behauptet, dass diese Kriterien erschöpfend ein Bild erfassen.

Edited November 9, 2010 by expat

[leicanik]

...Unterscheidet sich das Glücksgefühl eines Besitzers vom Bild "Hirsch an der Lichtung" (Ich meine so eine Kitschbild) von dem Glücksgefühl desjenigen, der sich ein Bild von Rembrandt anschaut?

Eine interessante Frage, die mich an einen Kunstkurs meiner Schülerzeit (oh je, das war so ca. 1976) erinnert: Damals einigten wir uns auf die Definition, Kitsch sei nicht eine Eigenschaft eines Dinges, sondern der manipulative Vorgang, der damit u.U. verbunden ist.

Am Beispiel des "röhrenden Hirsches mit Durchblick zum Watzmann": Der Besitzer wird mehrfach verar***. Zum einen hat er vielleicht ein "handgemaltes, signiertes" Kaufhausbild erworben, welches in Wirklichkeit quasi am Fließband arbeitsteilig erstellt wurde (der letzte macht dann die Signatur), und zum anderen bekommt er eine "heile Welt" vorgegaukelt, die so schon lange nicht mehr existiert. Insofern kann man sicher keine Aussage über die Tiefe oder die "Echtheit" des empfundenen Glücksgefühls treffen, wohl aber über dessen Missbrauch. Tja, das waren kritische Zeiten damals ...

Gruß, leicanik

[noman]

Ich denke, es ist schlicht unsere Sehweise, die wir Links- oder Rechtshänder von Kindheit an lernen und unsere Schreibweise von links oben nach rechts unten... das tun übrigens Linkshänder ebenso.

Wir schauen, wissenschaftlich nachgewiesen, ganz allgemein von links oben nach rechts unten.

Landsleute die ganz allgemein und von Kindheit an von rechts nach links schreiben entwickeln evtl. eine etwas andere Sehweise.

Vor einer großen Tafel stellen sich Kinder "bei uns" links auf.... Kinder in arabischen Ländern.. rücken nach rechts außen, um mit dem Lesen zu beginnen.

Wer viel in Ausstellungen geht... merkt irgendwann dass man gern links mit dem ersten Bild anfängt und dann weiter rechts rum gehen möchte und. So wird auch ganz viel gehängt. (man soll nicht von sich auf Andere schließen, aber bei mir ist es auch so) Musiker unter uns könnten das wissen: Enden Musikstücke überwiegend mit zum 'Ende des Stückes tieferen oder höheren Tönen? wahrscheinlich mit abfallender Tonhöhe, rate ich mal. (Obwahl die Tonleiter auf dem Klavier von links dunkel nach rechts höher verläuft, fällt mir ein)

Und ein Bild, welches "von rechts nach links" aufgebaut ist, geht den allermeisten von uns gegen den Strich, wird dadurch aber nicht besser.

Zu wieviel % das nun auf Links- oder Rechtshändigkeit beruht.... manche haben auch schon das angeblich unterschiedliche Gewicht unserer Körperhälften (links/rechts) als Grund für ein besonderes Verhalten angeführt.....??

Geht bei uns die Sonne nicht links auf... im Bogen über den Süden und rechts im Westen unter? Was macht der Mond?

Kein Wunder, dass Bild Nr. 1 eher anspricht? Und 2 nur bei Linkshändern? Glaube ich nicht! :-))))