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Neues von gestern: Neues Bajonett bei Nikon?


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Wegen größerer Umbauarbeiten musste der Keller aufgeräumt und vieles ausgemustert werden. Darunter waren auch einige hundert alter Fotozeitschriften. Die Älteren unter uns erinnern sich: Das waren diese Hefte, welche wir damals zum Monatsbeginn gierig verschlungen hatten. Internet gab es noch nicht, damit auch keine Gerüchteküchen im Netz, keine gezielt ausgestreuten "Leaks", keine inoffiziellen Nachrichten aus gut unterrichteten Kreisen. Alles was es an Neuigkeiten gab, kam aus diesen Heften.

Vielleicht blättere ich die einmal alle durch, wenn die Baustelle abgebaut ist, wenn es draußen regnet und wenn nichts Interessantes im Fernsehen läuft. Für diesmal blieb ich an einer Schlagzeile hängen, welche mir damals gar nicht so besonders aufgefallen war. "Neues Bajonett bei Nikon?". Das Heft war aus dem Jahr 2003. Gab es damals schon Informationen über das Z Bajonett? Zu einem Zeitpunkt, als Nikon gerade einmal dabei war, eine digitale Systemfamilie aufzubauen? Nein, von Nikon Z war keine Rede.

In seinem Leitartikel plauderte der Herr Chefredakteur ein wenig aus dem Nähkästchen. Zum journalistischen Alltag gehörten auch gute Kontakte zu japanischen Kollegen. Die hatten ihr Ohr deutlich näher an den Herstellern und konnten - auch wenn das keine offizielle Ankündigung war - darüber berichten, welche Themen gerade herum schwirren würden und sich vielleicht schon bald in Produktankündigungen niederschlagen könnten. Zum Beispiel eine neue Kamera der 6 Megapixelklasse. Preisgünstiger als die D100, das damalige Mittelklassemodell. Das ist wie gesagt zwanzig Jahre her. Die neue Kamera kam doch erst 2004 auf den Markt und wurde unter dem Namen D70 ein Bestseller im unteren Preissegment. Das war aber gar nicht die Bombe. Nikon plante ein neues digitales Profisystem, welches mit einem neuen, größeren und moderneren Bajonett ausgerüstet sein würde. Nach Informationen der wie üblich gut informierten Kreise sollte dieses neue System bereits gegen Ende des Jahres vorgestellt werden. Wir schrieben wie gesagt das Jahr 2003.

Von Nikon gab es keine Bestätigung zu diesen Gerüchten. Was üblicherweise als Zustimmung gewertet wurde. Wenn die sagen, dass da nichts dran ist, dann kommt einige Monate später die Bestätigung. Und wer die vorhandenen Mosaiksteinchen zusammen setzte, dem war schnell klar, dass da sehr wohl etwas dran sein könnte. Nikon hatte - entgegen allen Gerüchten - noch immer keine Vollformatkamera mit Kleinbildsensor vorgestellt. Erzkonkurrent Canon wurde auch nicht müde, an den Messeständen dieser Welt immer wieder das gleiche Lied zu singen. Nikon würde im bestehenden System nie eine Kamera mit Vollformatsensor auf den Markt bringen. Der enge Durchlass des F Bajonetts erlaube dies einfach nicht. Neben den vorhandenen DX Kameras mit APS-C Sensor war allenfalls ein APS-H Format mit Cropfaktoren von 1,2 (wie Leica M8) oder 1.3 (wie Canon EOS1D) möglich. Und es war klar, dass sich Nikon hier nicht kampflos geschlagen geben konnte. Es war somit hoch an der Zeit, nach über vierzig Jahren das F Bajonett mit all seinen Altlasten in den Ruhestand zu verabschieden und den Profifotografen neue Technik auf der Höhe der Zeit in die Hand zu geben.

Es war auch klar, dass dies ein mittleres Erdbeben auslösen würde. Die hohen Kosten für die Neuentwicklung würden sich in den Kosten von Kameras und Objektiven nieder schlagen. Vielen Usern war auch das Gelübde der immerwährenden Kompatibilität heilig. Denen musste man erst einmal näher bringen, dass die neuen Objektive nicht mehr an die Kameras seit 1959 passen würden und dass für die vorhandenen Objektive Adapter erforderlich wären, welche vielleicht nicht jeden historischen Bommel übertragen könnten. Und selbstverständlich würde man das F System noch lange fortführen müssen, um die riesige Basis an vorhandener Ausrüstung nicht von heute auf morgen von der Versorgung abzuschneiden.

So, Zeit das Heft wieder zuzuschlagen und in die Kiste zu legen. In drei Tagen kamen die Handwerker und es war noch viel zu tun. Wie die Sache weiter ging, ist mittlerweile Fotogeschichte. Das Jahr 2003 ging zu Ende und die Profikamera mit dem Vollformatsensor und dem neuen Bajonett kam nicht. So wie die Jahre zuvor die flehentlichen Gebete nicht erhört worden waren. Und die Jahre danach. Das Internet - wohin sich die Diskussion mittlerweile verlagert hatte, quoll über vor immer wieder neuen Nachrichten über die neue Profi Nikon. Detaillierte technische Daten. Abbildungen der neuen Kamera. Insiderberichte, welche den Anschein erweckten, der Autor hätte bereits mit einem Vorserienmodell gearbeitet. Und nach der Messe? Wieder nichts.

Dann kam das Jahr 2007 und wieder die üblichen Rumors, an die schon niemand mehr glauben wollte. Und ohne jede Vorwarnung schlug die Nikon D3 ein wie ein Meteor. Die neue Profikamera mit Vollformatsensor 24x36mm. Und sie hatte kaum Ähnlichkeit mit irgendeiner der Fake-Ankündigungen. Der Objektivanschluss: Nikon F. Mit der Option Objektive ab Nikon AI zu verwenden. Und das neue DSLR Bajonett? Verschollen in den Archiven der Fotogeschichte. So wie das Mittelformat Phantom Nikon MX. Oder die angekündigte, aber nie gebaute DL Serie. Und einiges andere mehr.

Heute ist die D3 auch schon ein Klassiker. Wie das Nikon F System insgesamt. Das wirklich neue Z-Mount ist kein (D)SLR Bajonett mehr. Spiegellos heißt die Devise. Wer von der DSLR nicht lassen möchte, dem bleibt nicht viel Zeit, noch alles einzulagern, was er vielleicht noch ergänzen möchte. Denn so selbstverständlich scheint es doch nicht zu sein, dass Nikon die verbliebenen F User noch lange unterstützen möchte.

Und was wäre gewesen, wenn die Gerüchte damals wahr gewesen wären? Schwer zu sagen. Natürlich hätte man einige alte Zöpfe schon damals abschneiden und das Gejammer darüber schon vor zwanzig Jahren ausbaden können. Aber die Umstellung auf Z wäre trotzdem notwendig gewesen. Letztlich hätte man das das besagte neue Bajonett nicht vor zwanzig, sondern vor vierzig Jahren einführen müssen. Aber das haben wir wohl auch schon ausgiebig diskutiert.

bearbeitet von tengris
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Und weil Nikon aufgrund seines sehr lange gehaltenen Versprechens, das Bajonett nicht zu ändern, einige Nachteile in Kauf nehmen musste, haben sie sich beim Z-Bajonett wohl gedacht: „Diesmal sind wir weit vorausschauend, darum machen wir das neue Bajonett gleich mal riesig. Da bleibt dann für die Zukunft viel Luft.“ ;) 

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Leider hat Nikon auch echte Fanboys zu lange warten gelassen.

Meine letzte Nikon war die D3 von der ich zu Sony umgestiegen bin. Das F Bajonett war sicher auch einer der Gründe warum brauchbare AF Adapter für E-mount wie bei Canon EOS nicht entwickelt werden konnten. Meine umfangreiche AI Objektivsammlung fristet ihren Ruhestand jetzt an Sony.

Danke für den vergnüglichen Rückblick.

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Hallo zusammen,

 

... Nikon hatte - entgegen allen Gerüchten - noch immer keine Vollformatkamera mit Kleinbildsensor vorgestellt. Erzkonkurrent Canon wurde auch nicht müde, an den Messeständen dieser Welt immer wieder das gleiche Lied zu singen...

Das ist schlichtweg in Bezug auf Canon falsch dargestellt, denn Canon brachte nahezu parallel zur EOS 1D (4 MPix APS-H Sensor mit Crop 1,3) das Modell 1Ds mit 11 MPix Vollformatsensor heraus, und zwar schon im Herbst 2002. Kostete leider deutlich über 8000 Euro, was der massenweisen Verbreitung im Amateuerbereich natürlich hinderlich war.

Nikon hat dagegen seine Kunden lange mit Absicht irregeführt und mit immer neuen D2H/X/Xs/Hs Modellen vertröstet, bis 2007 dann bei der D3 auf einmal doch Vollformat möglich war.

 

Gruß von

Axel

 

 

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vor 30 Minuten schrieb FritzG:

Das ist schlichtweg in Bezug auf Canon falsch dargestellt,

Da ist nichts falsch dargestellt. Canon hatte den Vollformatsensor und das Canon EF Bajonett war das größte seiner Zeit. Auch Pentax K war deutlich größer als Nikon. Die von mir zitierte Aussage "Canon erzählt jedem, dass Nikon das nicht kann" habe ich vor Jahren mündlich erhalten und habe daher keinen Link darauf. Ich denke auch, dass Nikon damals tatsächlich Schwierigkeiten mit dem Vollformat hatte, welche erst durch die Mikrolinsentechnik des D3 Sensors gelöst wurden. Da ging es ja Leica mit M8 / M9 nicht anders. Dass sie sich mit einem eher arroganten "das brauchen wir nicht" und nicht mit einem zerknirschten "das kriegen wir nicht hin" heraus geredet haben, kann man ihnen nicht wirklich vorwerfen.

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vor 22 Stunden schrieb Jstr:

Leider hat Nikon auch echte Fanboys zu lange warten gelassen.

Genau. Ich war wirklich ein grosser Nikon Fan und das ein Vierteljahrhundert lang. Aber das Nikon 1 System hat mich dann zu Sony vertrieben. 

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  • 1 year later...

Über ein Jahr nachdem ich alle Aktivitäten im Internet hingeschmissen und mich in allen Foren abgemeldet habe, hat mich Google zufällig zu einem anderen Beitrag in diesem Forum geführt. Ich musste feststellen, dass ich hier trotz Abmeldung immer noch Sitz und Stimme habe. Auch egal. Passive Mitgliedschaft tut nicht weh und ich muss mich ja hier nicht einbringen.

Aus einer Laune heraus komme ich aber doch noch einmal auf das Thema dieses Threads zu sprechen.

Am 29.1.2023 um 10:45 schrieb cxm:

was soll dieser Thread eigentlich aussagen oder bezwecken?

Entitäten von einem intelligenteren Planeten hätten hier erkannt, dass es einerseits um das Thema "Die Zukunft von Gestern" als auch um "Wunschdenken als Einstiegsdroge in eine Parallelrealität" ging.

"Rumors" sind heute etwas so Selbstverständliches und Alltägliches, dass wir akzeptiert haben, dass das zum Großteil nur Clickbaiting (wieder so ein Ausdruck, für den es kein richtiges deutsches Wort gibt) ist und dass wir den Schwachsinn in zwei Wochen wieder vergessen haben werden. Die Gier nach Neuigkeiten garantiert Zugriffsraten. Und mal ehrlich, auch wenn wir all die Fake Ankündigungen ohnehin nicht geglaubt haben, gelesen haben wir sie ja doch und wenn wir uns anschließend in Foren darüber lustig machen, halten wir den Zugriffzähler erst recht am Laufen. Das hat auch im letzten Jahrhundert - in kleinerem Maßstab - schon die Zeitschriftenverkäufe angekurbelt. In der Schlagzeile "Nikon bringt ein neues Profi-Bajonett" steckt beides. Angeblich bevorstehende neue Produkte, über welche "gut informierte Kreise" wieder einmal mehr wissen als wir. Und davor schon die Pflege und Verdichtung von Scheinrealitäten, welche durch eine Art Reifungsprozess zu Pseudofakten geworden sind. 

Es mag begonnen haben mit der Frustration über die echte oder vermeintliche Überlegenheit eines Konkurrenten. Das weckt den Wunsch, der eigene Hersteller möge zeitnah kontern. Neue Frustration darüber dass das nicht in angemessener Zeit geschieht. Schließlich die Überzeugung, die baldige Ankündigung neuer, konkurrenzfähiger Produkte müsse kurz bevor stehen. Begleitet wird dies von "Rumors" wie "der Hersteller sollte" über "der Hersteller muss" zu "der Hersteller wird" und schließlich "Gut informierte Kreise sehen die Vorstellung der lange erwarteten Produkte in naher Zukunft".

Sind die gut informierten Kreise doch nicht so gut informiert und vergeht die nächste Messe zum wiederholten Mal ohne den erhofften Knalleffekt, richtet sich der Zorn gegen den Hersteller, so als wären die enttäuschten Erwartungen von ihm geschürt worden und nicht von den Gerüchtebörsen. "Jetzt müssen sie endlich liefern" heißt das im aktuellen Sprachgebrauch.

Ok, schließen wir die verstaubten Geschichtsbücher. Das wurde in den letzten Jahrzehnten erschöpfend diskutiert. Es ging im Ursprungsbeitrag nicht darum, ob Nikon Fehler gemacht hat und ob diese Managementfehler waren oder durch technische Notwendigkeiten erzwungen wurden. Alle haben irgendwann schlechte Entscheidungen getroffen und diese haben sich eher negativ oder eher glimpflich ausgewirkt. Die Hardcore Nikon Fanboys sind nun einmal ein wehleidiges und masochistisches Häufchen Elend und vermuten ständig, dass ihnen Nikon wieder einmal aus reiner Bosheit den Arsch aushauen will, wenn die etwas nicht bringen, was Canon schon lange hat. Oder heute auch Sony. Die werden spät aber doch ebenfalls als Mitbewerber wahrgenommen.

Was lernen wir aus dieser Vergangenheit?

Eh nichts.

Wenn doch, dann zeigt es eine Eigendynamik auf, die es immer schon gab, die aber durch die Geschwindigkeit und weltweite Präsenz sozialer Medien wahnwitzig beschleunigt wurde. Einmal veröffentlicht und tausendmal kopiert macht Millionen mal für bare Münze genommen. "Die müssen doch ein neues Bajonett bringen. Sie müssen. Sie müssen. Sie müssen." Voila, da ist es, das neue Profi-SLR System von Nikon. Ende 2003 kommt es auf den Markt. Wobei jetzt gar nicht gesagt ist, dass Nikon nicht all die Jahre immer wieder an neuen technischen Lösungen gearbeitet hat, welche dann vom Vorstand doch nicht frei gegeben wurden. Da kann es schon sein, dass die gut unterrichteten Kreise irgend etwas erschnüffelt haben. Zwei Jahrzehnte später ist dieser Leitartikel ein Kuriosum und eine Fußnote der Kamerageschichte. 

Und heute? Es hat sich nichts geändert. Noch immer gibt es Dinge die nicht hinterfragt werden, weil doch eh jeder weiß, dass sie so sind wie sie eben sind. Ach ich habe vor noch nicht allzu langer Zeit das Lied gesungen:

Am 13.7.2022 um 17:59 schrieb tengris:

Nikon könnte seine Anwender (Anm.: des F-Systems) gar nicht von heute auf morgen über Bord werfen. Zumindest nicht so leicht wie andere das gemacht haben.

Können sie nicht? Haben sie getan. Ist erst ein paar Wochen her. Und Stille über den Wassern.

Die Geschichten, über welche wir in fünf oder zehn oder zwanzig Jahren schmunzeln werden, werden jetzt gerade geschrieben.

So, genug der vielen Buchstaben. Ich bin dann wieder weg.

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Am 28.1.2023 um 22:21 schrieb tengris:

Die von mir zitierte Aussage "Canon erzählt jedem, dass Nikon das nicht kann" habe ich vor Jahren mündlich erhalten

das kann ich bestätigen ... es ging aber auch noch weiter, Nikon selbst fand auch, dass man mit dem F Bajonett keine KB in Digital bauen könnte ..

Das gleich wurde später übrigens über das Sony E Bajonett verbreitet

Freuen wir uns, dass sie es dann doch geschafft haben 🙂 

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vor 45 Minuten schrieb leicanik:

Das wäre immerhin eine Steigerung um 100% :D . Stimmt aber nicht: Ich würde es auch begrüßen, wenn du etwas bleiben würdest @tengris

Me too @tengris... Dein feiner, oft ein bisschen angeschärfter, Humor ist immer wieder eine Bereicherung und lese ich gerne!

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